1.0

Die Ausstellung

Diese Ausstellung soll einen überschaubaren Einblick in die Situation Südtirols in den 1960er Jahren und dessen Geschichte seit 1918 bieten. Diese Jahre der Höhepunkte des „Südtirol-Konflikts“ bieten sehr viele Betrachtungsweisen, und daher soll vor allem das Interesse an den damaligen Vorgängen geweckt werden.

Im Mittelpunkt stehen jene Personen, die ein „Opfer für die Freiheit“ zu bringen bereit waren, die Aktivisten und Sympathisanten des „Befreiungsausschusses Südtirol“ (BAS) und die überaus beachtenswerte Entwicklung des „Südtirol-Konflikts“ bis zum „Zweiten Autonomieabkommen“.

Es muss  zudem all jener Personen gedacht werden, die selbst Opfer in den Jahren des „Südtirol-Konflikts“ wurden.

2.0

Vorgeschichte

Der „Südtirol-Konflikt“ hat seinen Ursprung in der Besetzung Südtirols durch Italien nach dem Ersten Weltkrieg im November 1918 und der faschistischen Machtübernahme in Italien im Jahr 1922.

Die Maßnahmen der faschistischen Regierung unter Benito Mussolini zur „Italianisierung“ Südtirols und zur „Majorisierung“ durch die Massenzuwanderung italienischer Staatsbürger sowie die zwischen Hitler und Mussolini ausgehandelte „Option“ brachte die deutschsprachige Südtiroler Bevölkerung in arge Bedrängnis.

Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte Italien die Politik der „Majorisierung“ fort, was 1957 zur Versammlung der Südtiroler auf der Burg Sigmundskron und zur Gründung des „Befreiungsausschusses Südtirol“ – BAS – führte.

3.0

Wer

Ab 1956 sammelten sich um Sepp Kerschbaumer aus Frangart bei Bozen Südtiroler aller Altersgruppen, um Widerstand zu leisten und gegen die immer aussichtsloser erscheinende Lage der deutschen Bevölkerung zu demonstrieren. Etwa zeitgleich entstand in Nordtirol eine Gruppe des BAS, der sich auch Personen aus anderen Bundesländern und Studenten aus Deutschland anschlossen. Die insgesamt etwa fünf Personengruppen des BAS hatten nur einen losen Kontakt untereinander. Zudem gehörten deren Mitglieder unterschiedlichen politischen Richtungen und Ideologien an. Alle BAS-Aktivisten einte aber der Wille, etwas für die Situation der deutschsprachigen Bevölkerung Südtirols zu erreichen − alle waren bereit zu einem „Opfer für die Freiheit“!

Dies, obwohl bald klar war, dass Italien mit extremen Repressionen gegen die Widerstandskämpfer des BAS reagieren würde. Wie brutal der Staat aber gegen die Südtirol-Aktivisten vorgehen würde, das überstieg jede Erwartung. Die inhaftierten Freiheitskämpfer wurden brutal gefoltert, und bald schon sollten die ersten zwei Häftlinge sterben – Franz Höfler mit 28 Jahren und der fünffache Familienvater Toni Gostner mit 41 Jahren. Nach der Erschießung des BAS-Aktivisten Luis Amplatz und der lebensgefährlichen Schussverletzung von Jörg Klotz war klar, dass Elemente des italienischen Staates auch vor gezieltem Mord nicht zurückschreckten.

Die hier vorgestellten Menschen stellen eine kleine Auswahl aller Widerstandskämpfer und Sympathisanten des BAS aus Südtirol, Österreich und Deutschland dar.

4.0

Wie

Politischer Widerstand

Die BAS-Aktivisten der ersten Stunde versuchten ab 1957, auf die Probleme der deutschsprachigen Bevölkerung Südtirols aufmerksam zu machen.

Dazu zählten die Verteilung von Flugblättern, das Hissen der Tiroler Landesfahne und das Aufmalen des Tiroler Adlers auf Felswände.

Diese für die Südtiroler bedeutenden Symbole waren seit der Faschistenzeit verboten und deren Verwendung stand auch noch lange nach dem Zweiten Weltkrieg unter beträchtlichen Strafen!

 

Anschläge

1961 verabschiedete der italienische Senat ein neues Staatsbürgerschaftgesetz, durch das Südtiroler Rückoptanten mit einem bloßen Verwaltungsakt ausgebürgert werden konnten, wenn sie nicht „der Treuepflicht gegenüber dem Staate und seiner Institutionen“ nachkamen. Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Deshalb trafen sich am 1. Juni 1961 in Zernez in der Schweiz 10 Vertreter des Nord- und Südtiroler BAS, um sich zu beraten, wie sie politischen Widerstand leisten und die internationale Öffentlichkeit auf die Zustände in Südtirol aufmerksam machen konnten. Sie beschlossen, gemeinsam Anschläge gegen faschistische Denkmäler und Symbole der italienischen Staatsmacht, der Kolonialisierung und Zuwanderungspolitik durchzuführen, unter der Bedingung, dass dabei absolut kein Menschenleben in Gefahr kommen durfte. Das Datum der „Feuernacht“ wurde festgelegt.

Spätestens ab 1964 fiel diese Schranke, zweifellos bedingt durch die Folterungen inhaftierter BAS-Aktivisten und durch die Ermordung von Luis Amplatz, anderer Aktivisten und unbeteiligten Zivilisten. Die Verursacher von Anschlägen auf Menschen wurden immer unerkenntlicher, und spätestens ab 1964 ist eine Verwicklung des italienischen Geheimdienstes in zahlreiche Anschläge nicht zu verleugnen. Durch diese „Strategie der Spannung“ sollten die Aktivisten diskreditiert und isoliert sowie auf Österreich Druck ausgeübt werden.

Ab 1961 führten italienische Neofaschisten in Österreich Sprengstoff-Anschläge gegen Menschen durch. Die Täter wurden nicht bestraft.

5.0

Folgen

Neben dem menschlichen Leid der Opfer der 1960er Jahre hatte der „Südtirol-Konflikt“ auch direkte Auswirkungen: Italien verstärkte bereits ab dem Ende der 1950er Jahre und vor allem nach der „Feuernacht“ massiv seine Sicherheitskräfte in Südtirol, was zu einem Aufmarsch von Soldaten des Heeres, der Carabinieri und der Guardia di Finanza sowie von Polizeikräften mit einer Zahl von bis zu 40.000 Personen führte. Südtirol glich bis 1970 einem „Heerlager“.

Auch Österreich verstärkte seine Grenzüberwachung vor allem aufgrund des starken außenpolitischen Drucks Italiens auf Österreich durch die „Konzentrierte Abteilung“ der Bundesgendarmerie und im Jahr 1967 – nach dem „Vorfall“ auf der Porzescharte – durch den Einsatz des Österreichischen Bundesheeres an der Grenze.

Die sowohl für Südtirol wie letztlich auch für Italien positive Folge der Problemjahre war der Abschluss des „Südtirol-Pakets“ im Jahr 1969.

Unter „Paket“ versteht man das Paket von Maßnahmen, die zur Umsetzung der Südtirol-Autonomie nötig waren. 1972 wurde das „Zweite Autonomiestatut“ verabschiedet. Es beinhaltete unter anderem, dass die öffentlichen Stellen auf die einzelnen Bevölkerungsgruppen gerecht verteilt wurden – also je nach Prozentanteil der drei Volksgruppen. Außerdem wurde der verpflichtende Zweisprachigkeitsnachweis eingeführt. Damit muss jeder, der eine öffentliche Stelle besetzt, auch die Zweisprachigkeitsprüfung bestanden haben bzw. sowohl ein deutscher als auch ein italienischer Bürger darf sich in seiner Muttersprache an jedes Amt wenden.

6.0

Opfer

In den 1960er Jahren kamen mindestens 35 Personen im Zusammenhang mit dem „Südtirol-Konflikt“ ums Leben und zahlreiche Personen wurden verletzt. Diese Menschen starben aus den unterschiedlichsten Gründen.

Auch wenn bis heute dem BAS die Täterschaft für die meisten der Opfer unter den italienischen Soldaten der Alpini, Carabinieri und der Guardia di Finanza sowie der Polizei zugeschrieben wird, sind die meisten Anschläge gegen italienische Sicherheitskräfte bis heute ungeklärt! Allerdings sind trotzdem noch einige der ehemaligen BAS-Aktivisten in Italien verurteilt, auch für Taten, die sie nicht begangen haben. Da es sich in den Augen von Italien um ein „politisches Verbrechen“ handelt, verjährt die Strafe nicht. Eine Amnestie beziehungsweise eine Rehabilitierung wird von Italien nach wie vor abgelehnt.

Ungeachtet dessen sei an dieser Stelle aller Opfer des „Südtirol-Konflikts“ gedacht.

Jedes Opfer bedeutete letztlich
einen Schritt auf dem Weg zur
Freiheit für Südtirol!

Lese ausgewählte Bücher des Vereins Südtiroler Geschichte hier online kostenlos

KZ Campo d’Isarco: Tagebuch eines Wachsoldaten

von Günther Rauch

Das aus der Feder von Günther Rauch stammende und vom „Verein Südtiroler Geschichte“ herausgegebene Buch „KZ Campo d’Isarco: Tagebuch eines Wachsoldaten“ ist als Fortsetzung und Ergänzung des 2018 erschienenen Buches „Italiens vergessenes Konzentrationslager, Campo d’Isarco bei Bozen (1941–1943)“ zu verstehen. Im streng geheim gehaltenen KZ „Campo di concentramento Prato d’Isarco“, welches die Faschisten auf dem zwölf Hektar großen Gelände der ehemaligen Brauerei Blumau angelegt hatten, waren von 1941 bis 1943 tausende Menschen interniert.

In diesem Band werden zum ersten Mal Tagebuchauszüge eines Trentiner Bauernsohnes veröffentlicht, der als Scharfschütze und Wachsoldat ein Jahr lang im KZ „Campo di concentramento Prato Isarco“ tätig gewesen war. Außerdem hat er die Kriegsverbrechen auf dem Balkan miterlebt und aufgezeichnet.

Der Buchautor Günther Rauch, einer der besten Kenner der schwarzen und braunen Jahre in Südtirol, gibt nicht nur einen Einblick in das Leben dieses Soldaten und in dieses Konzentrationslagers, sondern zeigt auch einige verdrängte Kapitel der faschistischen Diktatur und des damaligen Zeitgeschehens auf – darunter auch ein gescheitertes Attentat auf Mussolini in Eppan.

Italiens vergessenes Konzentrationslager Campo Isarco bei Bozen (1941−1943)

von Günther Rauch

Dass es in der Bozner Reschenstraße neun Monate lang das „Polizeiliche Durchgangslager“ gab, das, 1944 von Fossoli nach Südtirol verlegt, zunächst von den Faschisten und dann von den Nazis geführt wurde, ist hinlänglich bekannt. Für viele neu hingegen ist, dass es in Blumau von 1941 bis 1945 ein faschistisches Konzentrationslager gab, das offiziell den Namen „Campo di concentramento Prato d’Isarco“ trug.

Das vom Südtiroler Autor Günther Rauch, der sich bereits mit anderen geschichtlichen Publikationen, wie etwa sein 650 Seiten umfassendes Werk über den Bozner Obstmarkt einen Namen gemacht hat, stammende Buch über „Italiens vergessenes Konzentrationslager“ in Blumau wurde im Herbst 2018 vom Südtiroler Heimatbund herausgegeben. Rauch berichtet in diesem Buch in eindrücklicher und sehr informativer Weise, wie in diesem faschistischen KZ slawische, australische, britische, indische, jugoslawische und sowjetische Kriegsgefangene und Zivilisten in Haft gehalten wurden, und zeichnet dabei ein umfassendes Bild der politischen Hintergründe dieser Zeit.