Der italienische Irredentist und Faschist Ettore Tolomei versuchte seit etwa 1890 mit höchst unwissenschaftlichen Methoden, Südtirol als rechtmäßiges Gebiet Italiens zu erklären. Seine Tätigkeit bewirkte ein „Umdenken“ der italienischen Nationalisten von der ursprünglichen Forderung nach der Grenze südlich von Salurn zur „heiligen Grenze“ am Brenner.
Italien brach 1915 den „Dreibund“ mit Deutschland und Österreich nach Geheimverhandlungen in London aufgrund der Zusicherung von Gebietszuwächsen nach dem Krieg durch England, Frankreich und Russland, darunter Südtirol, und erklärte Österreich-Ungarn am 23. Mai 1915 den Krieg.
Dieser Gebietsanspruch bewirkte bei den Waffenstillstandsverhandlungen am Ende des Ersten Weltkrieges die italienische Forderung eines Rückzugs der österreichisch-ungarischen Truppen nördlich des Brenners. Italienische Truppen besetzten daraufhin kampflos Südtirol.
Am 15. Juli 1923 präsentierte Ettore Tolomei die „Maßnahmen“ zur Italianisierung Südtirols:
„Provvedimenti per l’Alto Adige“
- Vereinigung des Alto Adige und des Trentino in einer einzigen Provinz mit Hauptstadt Trient.
- Ernennung italienischer Gemeindesekretäre.
- Revision der (Staatsbürgerschafts-) Optionen und Schließung der Brennergrenze für alle Personen, denen die italienische Staatsbürgerschaft nicht zuerkannt worden ist.
- Einreise- und Aufenthaltserschwernisse für Deutsche und Österreicher.
- Verhinderung der Einwanderung Deutscher.
- Revision der Volkszählung von 1921.
- Einführung des Italienischen als Amtssprache.
- Entlassung der deutschen Beamten bzw. Versetzung in die alten Provinzen.
- Auflösung des „Deutschen Verbandes“.
- Auflösung aller Alpenvereine, die nicht dem italienischen Alpenverein unterstehen; Übergabe der Schutzhütten an den italienischen Alpenverein.
- Verbot des Namens „Südtirol“ und „Deutsch-Südtirol“.
- Einstellung der in Bozen erscheinenden Tageszeitung „Der Tiroler“.
- Italianisierung der deutschen Ortsnamen.
- Italianisierung der öffentlichen Aufschriften.
- Italianisierung der Straßen- und Wegbezeichnungen.
- Italianisierung der verdeutschten Familiennamen.
- Entfernung des Denkmals Walthers von der Vogelweide vom Bozner Waltherplatz.
- Verstärkung der Carabinieri-Truppe unter Ausschluss deutscher Mannschaften.
- Begünstigung von Grunderwerb und Einwanderung von Italienern.
- Nichteinmischung des Auslandes in Südtiroler Angelegenheiten.
- Beseitigung deutscher Banken, Errichtung einer italienischen Bodenkreditbank.
- Errichtung von Grenzzollämtern in Sterzing und Toblach.
- Großzügige Förderung der italienischen Sprache und Kultur.
- Errichtung italienischer Kindergärten und Volksschulen.
- Errichtung italienischer Mittelschulen.
- Strenge Kontrolle von Auslands-Hochschuldiplomen.
- Ausbau des Istituto di Storia per l’Alto Adige.
- Änderung des Gebietsumfangs des Bistums Brixen und strenge Kontrolle der Aktivität des Klerus.
- Verwendung des Italienischen bei Prozessen und vor Gericht.
- Staatliche Kontrolle der Handelskammer Bozen und der landwirtschaftlichen Körperschaften (Corporazioni).
- Umfangreiche Programme für neue Eisenbahnknoten, um die Italianisierung des Alto Adige zu erleichtern (Bahnprojekte Mailand-Mals, Veltlin-Brenner, Agordo-Brixen).
- Steigerung des Truppenbestandes im Alto Adige.
Quelle: Alfons Gruber, Südtirol unter dem Faschismus (Schriftenreihe des Südtiroler Kulturinstitutes 1), Bozen 1974, 21f.